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AnwaltsVerband Baden-Württemberg
im Deutschen AnwaltVerein e.V.
Darstellung der drei Löwen des Baden-Württembergischen Wappens

Parlamentarischer Abend 2014

Mit rund 50 Gästen konnte der Anwaltsverband am 15. Oktober 2014 seinen 6. Parlamentarischen Abend in Stuttgart ausrichten. Gekommen waren die rechtspolitischen Sprecher der 4 Landtagsfraktionen, weitere Abgeordnete der verschiedenen Fraktionen sowie der Justizminister mit seiner Amtschefin.

Von den berufsständischen Vertretungen waren neben dem Verbandsvorstand, die Vorsitzenden der 25 Mitgliedsvereine, die Präsidenten der Anwalts- und Notarkammern, des Landesverbandes der Freien Berufe, die Vorstandsvorsitzenden des Rechtsanwaltsversorgungswerks Baden-Württemberg sowie der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen vertreten.

Präsident des Anwaltsverbandes RA Prof. Dr. Peter Kothe
Justizminister Rainer Stickelberger
RA Volker Schebesta, MdL, stv. Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion
RA Jürgen Filius, MdL, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die Grünen
RA Sascha Binder, MdL, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion
RAin Judith Skudelny, stv. Landesvorsitzende der FDP Baden-Württemberg
v.l.n.r. Justizminister Rainer Stickelberger, BRAK-Vizepräsident RA Ekkehart Schäfer, AVBW-Vorstandsmitglied RA Dr. Jörg Meister, RA Hartmut Kilger, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen
Präsident der Notarkammer Peter Wandel, RA Theo Fleßner, Vorsitzender des Heilbronner Anwaltvereins, RA Klaus Hornung, Regionalbeauftragter des Forums Junge Anwaltschaft Mannheim
RA Arnulf von Eyb, MdL, CDU-Fraktion, RA Winfried Porsch, Vorstand ARGE Verwaltungsrecht, Dr. Reinhard Löffler, MdL, CDU-Fraktion

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Statements des Verbandspräsidenten, des Justizministers und der Parteiensprecher

Der Präsident des Anwaltsverbandes, RA Prof. Dr. Peter Kothe, forderte nach seinen Begrüßungsworten den Landesgesetzgeber auf, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Umweltverwaltungsgesetz darauf zu achten, dass zukünftige Bekanntmachungen im Internet auf einer zentralen Homepage, wie z. B. www.service-bw.de, erfolgen und nicht etwa verstreut auf den Internetseiten der jeweiligen Behörde. Es könne den rechtsinteressierten Bürgern nicht zugemutet werden, die individuellen Internetauftritte aller in Frage kommenden Behörden täglich selbst auf neue Bekanntmachungen zu durchsuchen. Wenn die Regierungskoalition es mit der „Politik des Gehörtwerdens“ ernst nehme, müsse sie für leicht zugängliche Informationen sorgen.

Des Weiteren mahnte Kothe das bereits für diese Legislaturperiode zugesagte Informationsfreiheitsgesetz an. Baden-Württemberg bilde hier ein Rücklicht.

Für die technische Ausstattung der Justiz für den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) forderte der Präsident die Beachtung des Datenschutzes. In Bayern werde die Hardware vom amerikanischen Unternehmen IBM gestellt, dass sich weigere, schriftlich zu garantieren, dass erhaltene Daten nicht an die NSA gegeben würden. Das bayrische Finanzministerium solle die erforderlichen Server zur Verfügung stellen. Hier drohe eine Missachtung der Gewaltenteilung und des Datenschutzes, weil die Finanzbehörden dann Zugriff auf die Justizdaten hätten. Zu derartigen Zuständen dürfe es in Baden-Württemberg nicht kommen.

Nach den Ermittlungen der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), müsse beim elektronischen Rechtsverkehr mit 8 Nachrichten pro Sekunde gerechnet werden, die auch einen großen Umfang haben könnten, z. B. bei Bauprozessen. Hier müsse das Land dafür sorgen, dass auch im ländlichen Raum die entsprechenden digitalen Leitungskapazitäten zur Verfügung stehen.

Mit Blick auf die beschlossenen Einsparungen im Justizhaushalt von 30 Mio. Euro für 2015 und 40 Mio. Euro für 2016 wies Verbandspräsident Kothe darauf hin, dass bereits jetzt Verfahren, die von Rechtspflegern zu betreuen seien, wie Kostenfestsetzungsbeschlüsse, wegen gravierenden Personalmangels viel zu langsam bearbeitet würden. Vakante Richterstellen blieben ebenfalls zu lange unbesetzt, so dass man z. B. auf schriftliche Urteilsbegründungen sehr lange warten müsse, was bei den Prozessparteien zu enormen finanziellen Schäden führe. Das Land müsse für eine funktionierende Justiz sorgen.

Kothe zeigte auch auf, dass sich z. B. Online-Schlichtungen in Verbraucherangelegenheiten, aber auch vom Staat unabhängige Schiedsverfahren zwischen Unternehmen, rasant ausbreiten würden. Dies führe dazu, dass das deutsche Rechtssystem durch anglo-amerikanisches Recht ersetzt würde, was aber nicht erstrebenswert sei. Der Staat müsse auch deswegen für eine gute Rechtsgewährung durch staatliche Stellen sorgen.

Aufgrund der Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom April 2014, die die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte ablehnten, forderte Kothe die anwesenden Politiker dazu auf, es zu unterstützen, dass hierfür eine ähnliche Regelung wie die für die Syndikussteuerberater in § 58 Steuerberatergesetz (StBerG) aus dem Jahr 2008 geschaffen werde. Ordnungspolitisch sollten die Rechtsanwaltskammern darüber entscheiden, was unter einer anwaltlichen Tätigkeit zu verstehen sei und nicht die Sozialgerichte.

Der Justizminister Rainer Stickelberger stellte dem Publikum die neue Amtschefin, Frau Inken Gallner, vor. Er betonte die bisherige gute Zusammenarbeit zwischen Justizministerium und Anwaltschaft, z. B. bei der Kostenrechtsmodernisierung im Jahr 2013.

Die Sorgen der Anwaltschaft hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs würden Berücksichtigung bei dessen Umsetzung finden. Da justizintern kein Medienbruch gewollt sei, arbeite man nun verstärkt an der elektronischen Akte. Dazu habe eine Kabinettsvorlage im Juni 2014 den Ministerrat erfolgreich passiert. Voraussichtlich würden das Arbeitsgericht Stuttgart und das Landgericht Mannheim zuerst für den elektronischen Rechtsverkehr geöffnet. Um das Personal der Justiz mitzunehmen, habe man einen Praxisbeirat gebildet und einen e-justice-Tag veranstaltet. Auch jetzt wolle das Ministerium eng mit der Anwaltschaft zusammenarbeiten. Zustände wie in Bayern werde es in Baden-Württemberg nicht geben. Er wolle einen permanenten Datenschutz. Derzeit liefen die Ausschreibungen; in 2015 wolle das Ministerium mit dem ERV starten. Die Finanzierung sei bereits gesichert.

Wegen der beschlossenen Einsparungen im Justizhaushalt erläuterte Stickelberger, dass sein Ministerium die Vorgaben schon zu 90% erfüllt habe. Es seien lediglich noch 8,6 bis 9,7 Mio. Euro offen. Dazu habe die Kostenrechtsmodernisierung im Jahr 2013 beigetragen. Allerdings flössen die Mehreinnahmen in den Gesamthaushalt. Er werde sich aber dafür einsetzen, dass ein Teil auch wieder beim Justizhaushalt ankomme. Durch die Notariatsreform müssten die Stellen von 700 verbeamteten Notaren abgebaut werden, die ab 2018 ins freie Notariat wechseln würden. Das bringe auch erhebliche Kosteneinsparungen.

Zur möglichen Gesetzesänderung für die Syndikusanwälte sagte er seine volle Unterstützung zu, wenn die anwaltlichen Berufsorganisationen einen guten Vorschlag vorlegen würden.

Zu den zukünftigen amtlichen Bekanntmachungen im Internet sagte Stickelberger, dass er dies grundsätzlich für einen guten Weg halte, weil dadurch der Zugang der Bürger zu den Informationen verbessert werde.

Er trete weiterhin dafür ein, dass die Justiz in der Fläche gewährleistet sein müsse, so dass er keine Schließung kleinerer Gerichtsstandorte im ländlichen Raum wolle. Er sei aber offen für alternative Streitbeilegungsmöglichkeiten, wie Schlichtungsstellen.

Abschließend verwies Stickelberger auf den Erfolg, das Europäische Patengericht in Mannheim zu implementieren, was der hiesigen mittelständischen Wirtschaft sehr entgegen komme.

Danach erhielt der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, RA Volker Schebesta, das Wort. Er betonte, dass die Datensicherheit für die Wirtschaft und die Forschung einen hohen Stellenwert habe. Die fortschreitende Digitalisierung vieler Abläufe lasse sich nicht mehr aufhalten. Ein Datenklau müsse verhindert werden. Seine Fraktion setze sich für die Förderung des Breitbandausbaus ein.

Auch sei es ein Ziel, das Kammerwesen zu stärken.

Wie die aktuellen Sterbetafeln zeigten, hätten die Angehörigen der Freien Berufe eine höhere Lebenserwartung als andere Bevölkerungsgruppen und seien deswegen in ihren berufsständischen Versorgungswerken besser aufgehoben. Seine Fraktion sehe deshalb auch die Syndikusanwälte bei den Versorgungswerken.

Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, RA Jürgen Filius, verwies darauf, dass der Präsident des Landesrechnungshofs Munding die Auffassung vertrete, dass die Justiz derzeit noch zu viel Personal beschäftige, weshalb sich eine bessere personelle Ausstattung der Justiz als schwierig erweise.

Filius sprach sich für die Beibehaltung der berufsständischen Versorgungswerke aus.

Er dankte dem Anwaltsverband und dem Deutschen Anwaltverein für deren rechtspolitisches und bürgerrechtliches Engagement durch deren Stellungnahmen oder die Stiftung gegen Rechtsextremismus. Der Arbeitskreis Recht und Verfassung seiner Fraktion würde gern mit dem Anwaltsverband zusammen arbeiten, um fachliches Know-How zu erhalten.

RA Sascha Binder, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion sprach seine Freude darüber aus, dass der diesjährige Deutsche Anwaltstag im Juni 2014 in Stuttgart stattgefunden habe.Es sei eine sehr hochkarärige Veranstaltung gewesen.

Er stellte in Aussicht, dass das Informationsfreiheitsgesetz noch vor Ablauf der Legislaturperiode im Jahr 2016 beschlossen werde. Es befinde sich gerade in der Abstimmung zwischen den Fraktionen.

Die aktuelle Stellungnahme des Anwaltsverbandes zum geplanten Jugendarrestgesetz sei hilfreich gewesen.

Sodann kam Binder auf die Sanierung des Landeshaushalts zu sprechen. Es müsse überprüft werden, welche Dienstleistungen die Justiz erbringen solle. Man müsse den Leistungskatalog, z. B. hinsichtlich möglicher Bagatellgrenzen, überdenken. Es solle aber weiterhin kleine Amtsgerichte geben. Deswegen sehe er keine großen Einsparpotenziale in der Justiz. Im Gegenteil die Justiz solle entsprechend ihrer Funktion würdig mit Sach- und Personalmitteln ausgestattet werden. Allerdings sei das Ziel der Nullverschuldung ab 2016 zu beachten. Immerhin könne man aber einen qualifizierten Stellenzuwachs beim Landesbeauftragten für den Datenschutz verzeichnen.

Um die rechtliche Situation der Syndikusanwälte zu klären, wolle er mit dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz, Christian Lange, MdB sprechen.

Die stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Baden-Württemberg, RAin Judith Skudelny, betonte ihre Zuneigung zur Rechtspflege. Diese müsse transparent und effizient sein. Die geplanten Einsparungen in der Justiz sehe sie deswegen kritisch. Es dürfe nicht sein, dass es zu wenig Rechtspfleger und zu lange Verfahrensdauern gebe.

Ein weiteres wichtiges Anliegen sei ihr der Datenschutz. Wenn die elektronische Akte flächendeckend eingeführt werde, dürfe es nicht passieren, dass man der NSA das Ausspähen weiterer Informationen noch einfacher mache. Verantwortlicher Hebel für Missststände in diesem Bereich sei aber Europa.

 

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