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AnwaltsVerband Baden-Württemberg
im Deutschen AnwaltVerein e.V.
Darstellung der drei Löwen des Baden-Württembergischen Wappens

Parlamentarischer Abend 2015

Am 30. September 2015 konnte der Anwaltsverband Baden-Württemberg wieder zahlreiche Gäste aus dem Landtag, dem Justizministerium und der berufsnahen Standesorganisationen, wie Mitgliedsvereine, Forum Junge Anwaltschaft, Rechtsanwaltskammern, Anwaltsgerichtshof, Vertreter der Notare, Richter und Staatsanwälte, Landesverband der Freien Berufe, DAV ARGE Verwaltungsrecht, zu seinem 7. Parlamentarischen Abend in Stuttgart begrüßen. Nach den einleitenden Worten des - in der vorherigen Mitgliederversammlung erneut gewählten - Verbandspräsidenten, RA Prof. Dr. Peter Kothe, gaben der amtierende Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) und die Vertreter der vier Landtagsfraktionen, Volker Schebesta (CDU), Jürgen Filius (Bündnis90/die GRÜNEN), Nikolaos Sakellariou (SPD) und Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP), ihre jeweiligen Stellungnahmen zu aktuellen rechts- und berufspolitischen Themen ab. Anschließend stellten sie sich den direkten Gesprächen. 

RA Prof. Dr. Peter Kothe, Präsident des Anwaltsverbandes bei der Begrüßung
Rainer Stickelberger, Justizminister während seiner Rede
Volker Schebesta, MdL, Vertreter der CDU-Fraktion
JürgenFilius, MdL, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die GRÜNEN
Nikolaos Sakellariou, MdL, Vertreter der SPD-Fraktion
Prof. Dr. Ulrich Goll, rechtspolitischer Sprecher der DVP/FDP-Fraktion

Der Vertreter der CDU-Landtagsfraktion, RA Volker Schebesta, signalisierte die grundsätzliche Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen. Ein Problem sei, dass die Registrierung nicht schnell genug von statten gehe. Falsche Anreize müssten jedoch gemildert werden. So müssten ungerechtfertigte Geldleistungen zurückgeschraubt und sichere Herkunftsländer geprüft werden. Die Stellungnahmen des Anwaltsverbandes zu Gesetzgebungsvorhaben würden von seiner Fraktion sehr geschätzt, so wie seinerzeit bei der Schaffung des Parlamentarischen Kontrollgremiums über den Verfassungsschutz und jetzt zum Informationsfreiheitsgesetz. Die Situation beim Widerspruchsverfahren könne hier noch einmal überprüft werden. Mit Blick auf die kommende Landtagswahl am 27. März 2016 sagte Schebesta, die CDU wolle eine funktionierende Justiz, weshalb die Eingangsbesoldung und auch die Mindestnoten für Stellenbewerber wieder angehoben werden müssten.

RA Jürgen Filius, MdL, rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis90/Die Grünen, gratulierte dem Verbandspräsidenten Kothe ebenfalls zu dessen Wiederwahl. Das geplante Informationsfreiheitsgesetz sei eine schwere Geburt gewesen, weil die Datenschutzbelange sorgfältig abgewogen werden mussten. Auch er befürworte Widerspruchsverfahren, weil sie die Justiz entlasteten, spreche sich aber dafür aus, in einzelnen Bereichen genau zu prüfen, welche Auswirkungen eine etwaige Änderung hätte. Die Einführung des Parlamentarischen Kontrollgremiums über den Verfassungsschutz sei ein Erfolg. Traditionell könne man aber nur einmal pro Legislaturperiode die Landesverfassung ändern, so dass es nun nicht zur beabsichtigten Absenkung des erforderlichen Quorums für eine Volksabstimmung gekommen sei. Hinsichtlich des Umgangs mit Flüchtlingen schlug Filius vor, anstatt Sachbearbeiter aus der Bundesagentur für Arbeit in das nun von Herrn Weise geleitete Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu übernehmen, sollten Anwälte mit der Bearbeitung und Entscheidung von Asylanträgen beliehen werden. Deren Fachkompetenzen und Neutralität würden eine bessere Sachbearbeitung ermöglichen.

Der Vertreter der SPD-Landtagsfraktion, RA Nikolaos Sakellariou, sagte, um die Flüchtlingsthematik gut in den Griff zu bekommen, brauche es viel Sachverstand. Es wäre gut, wenn mehr Rechtsanwälte gewählt werden würden, weil sie als selbständige "Unternehmer" oft auch einen anderen Blick auf viele Themen hätten als andere Volksvertreter. Das gegenwärtige Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte zeuge von der Durchschlagskraft des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Er halte es für eine kluge Entscheidung, dass der Anwaltverein sich hier für die Einheitlichkeit der Anwaltschaft einsetze.

Prof. Dr. Ulrich Goll, rechtspolitischer Sprecher der DVU/FDP-Landtagsfraktion gratulierte Verbandspräsident Kothe ebenfalls zu dessen Wiederwahl. Zur Flüchtlingsthematik sagte er, die Verfassung dürfe nicht preisgegeben werden, und zwar in beide Richtungen. Auch diejenigen, die bereits in Deutschland leben würden, hätten Grundrechte. Er sprach sich für eine bessere Eingangsbesoldung bei den Richtern (Anhebung um 8%) aus. Seine Partei hätte in drei Wahlperioden Strukturen geschaffen, die gut seien. Das Informationsfreiheitsgesetz hätte man schon zwei Jahre früher haben können, da es sich dicht am Bundesgesetz orientiere. Ebenso sehe er es bei der Justizvollzugsanstalt in Rottweil. Goll sprach seine Anerkennung für die Broschüre des Anwaltsverbandes "Freiheit und Verantwortung" aus. Insbesondere die anwaltliche Verschwiegenheit sei ein hohes Gut und gehöre zum Berufsethos.


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Vor mehr als 60 Teilnehmern wies der Präsident des Anwaltsverbandes Kothe auf das kommende 40-jährige Verbandsjubiläum im September 2016 hin und stellte die neue Broschüre des Anwaltsverbandes zum anwaltlichen Berufsrecht und zur anwaltlichen Berufsethik "Freiheit und Verantwortung" vor. Außerdem kündigte er an, dass der Anwaltsverband sich in seiner kommenden gesellschaftspolitischen Matinee im Juni 2016 mit der Frage beschäftigen werde, wo es in Deutschland bereits Gegenden gibt, in die sich die Polizei nicht mehr hereintraut und wie der Entwicklung von unerwünschten Paralleljustizen entgegengetreten werden könne.

Mit Blick auf den anhaltenden Flüchtlingsstrom und die bisher gemachten Erfahrungen mahnte er an, das Grundrecht auf Asyl hoch zu halten aber auch die Beachtung der deutschen Verfassung von den Einwanderern zu verlangen. Erstrebenswert sei, die Asylverfahren zu beschleunigen, ohne dabei das Recht auf ein faires Verfahren und Rechtsmittel einzuschränken.

Kothe ging auf das Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung eines Parlamentarischen Kontrollgremiums über die Tätigkeiten des Landesverfassungsschutzes und die besondere Bedeutung des anwaltlichen Mandatsgeheimnisses ein.

Zum aktuellen Gesetzgebungsvorhaben für das Informationsfreiheitsgesetz Baden-Württemberg merkte Kothe an, dass der darin vorgesehene Ausschluss des Widerspruchsverfahrens gegen ablehnende Entscheidungen über Auskunftsersuchen von den Landtagspolitikern noch einmal überdacht werden solle. Das Widerspruchsverfahren biete den Betroffenen eine unbürokratische, kostengünstige und zügige Überprüfungsmöglichkeit der jeweiligen Entscheidung durch die Verwaltung selbst. Es könne nicht sein, dass zwar eine Landesverfassungsbeschwerde geschaffen wurde aber im Unterbau solch tradierte Rechtsmittel, wie das Widerspruchsverfahren, wieder abgeschafft würden. Das Widerspruchsverfahren habe das Ziel, die Verwaltungsgerichte zu entlasten, was in jedermanns Sinne sein müsse.

Weiter forderte Kothe die anwesenden Politiker auf, dafür zu sorgen, dass sich der Rechtsstaat nicht aus der Fläche zurückziehe, so wie dies gegenwärtig beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschehe. Dort würden 11 von 21 Amtsgerichten geschlossen, was für die Bürger und Rechtsanwälte u. a. bedeutend längere Anfahrtswege bedeute. Aber auch vor der Schaffung von Spezialzuständigkeiten, wie etwa in Rheinland-Pfalz geplant, warne er. Die Justiz dürfe sich auf keinen Fall vom Bürger entfernen.

Mit Blick auf den Verbraucherschutz und die Kostentransparenz sprach Kothe das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) an. Es sei wichtig, weil der Bürger daraus die Vergütungshöhe und den Leistungsumfang von anwaltlicher Tätigkeit erkennen könne. Das Gesetz sollte zeitgemäß modernisiert werden.

Justizminister Stickelberger erwiderte, er freue sich schon auf das bevorstehende traditionelle Jahresgespräch mit den Anwaltsorganisationen am 22.10.2015. Gegenwärtig gebe es keine Bestrebungen, an den Gerichtsstandorten in Baden-Württemberg etwas zu ändern. Er gratulierte dem Verbandspräsidenten Kothe zu dessen Wiederwahl und lobte die Broschüre "Freiheit und Verantwortung". Für die ankommenden Flüchtlinge verlangte er einen menschenwürdigen Umgang und zügige Asylprüfungsverfahren. Die Verwaltungsrichterstellen seien bereits im Mai 2015 um 16 Personen aufgestockt wurden. Gegenwärtig plane man eine weitere Aufstockung. Mit Interesse habe er die Ergebnisse des DAV-Expertenworkshops zur Flüchtlingssituation am 23.9.2015 und die Resolution des Landesverbandskonferenz (LVK) vom 4.9.2015 zur Kenntnis genommen. Nach seiner Ansicht sollten die Flüchtlinge Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung haben.

Im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Elektronischen Rechtsverkehr plane man die Einführung der elektronischen Akte, um auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Gerichten zu ermöglichen. Am 1.01.2016 werden die Landgerichte Stuttgart, Freiburg und Mannheim sowie das Arbeitsgericht Stuttgart mit der e-justice-Pilotierung beginnen. Bereits in 2017 werden weitere Gerichte folgen. Stickelberger sprach sich gegen eine generelle Abschaffung der Widerspruchsverfahren aus; er befürworte diese ausdrücklich, weil sie die Justiz entlasteten; lediglich in Einzelbereichen seien Ausnahmen denkbar. Stattdessen könne man über eine Änderung der Streitwertgrenzen nachdenken.



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