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AnwaltsVerband Baden-Württemberg
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Gesellschaftspolitische Matinee 2014

Am 8. Mai 2014 veranstaltete der Anwaltsverband erneut eine gesellschaftspolitische Matinee. Dieses Mal widmete er sich dem Thema "Daten als Währung - der Preis für den Komfort". Unter Leitung des SWR-Moderators Michael Saunders diskutierten vier Experten die gegenwärtige Situation und künftige Herausforderungen. Die Teilnehmer konnten zahlreiche Anregungen für ihre weitere Tätigkeit mitnehmen und in angenehmer Athmosphäre einander kennen lernen.

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Verletzung von Datenschutzvorschriften als abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß?

Mit rund 60 Teilnehmern und unter Moderation von Michael Saunders (SWR) ging der Anwaltsverband am 8. Mai 2014 in Stuttgart der Frage nach, welchen Wert online gesammelte Nutzerdaten für ein Privatunternehmen haben.

 

Dazu veranstaltete er eine Podiumsdiskussion zum Thema „Daten als Währung – der Preis für den Komfort“.

 

Der Geschäftsführer der Sovendus GmbH aus Karlsruhe, Oliver Stoll, erläuterte, dass Internet-Firmen heutzutage zwar leichter an Informationen kommen, aber normalerweise nicht zum Nachteil des Kunden einsetzen. Ihnen gehe es vorrangig um größeren Produktabsatz und Gewinnsteigerung. Seiner Erfahrung nach würden deutsche Unternehmen nicht gezielt versuchen, datenschutzrechtliche Regelungen zu umgehen, sondern sich mit ihnen arrangieren. Wenn ein Unternehmenszweck zu sehr mit dem Datenschutz kollidiere, werde der Zweck entsprechend geändert. Solange ein Internetkunde selbst entscheiden könne, welche Daten er preisgebe und welche Dienstleistung er nutzen wolle, sehe er darin keinen Nachteil. Nach derzeitiger Rechtslage könnten erhaltene Informationen beliebig lange gespeichert werden, was auch geschehe, da die Kosten für die Unternehmen hierfür gering seien. Ein Vorteil könne sein, dass eine Suchmaschine, wie Google, dem jeweiligen Nutzer - je nach seinen bekannten Interessen - andere Ergebnisse anzeige. Im internationalen Wettbewerb seien deutsche Unternehmen durch die relativ hohen Datenschutzanforderungen gegenüber ausländischen Firmen in ihren Wachstumsmöglichkeiten benachteiligt.

 

Der Medienreferent Uli Sailer aus Gerlingen zeigte anschaulich, wie man über die Ortungsfunktion des Smartphones oder tablets relativ einfach ein Bewegungsprofil des jeweiligen Nutzers erstellen kann. Er meinte weiter, das Problem liege darin, dass viele Nutzer, wie Schüler, Eltern oder Rentner, nicht wüssten, was im technischen Hintergrund eines Online-Portals, Smartphones oder Tablets geschehe und somit die Wirksamkeit erteilter Einwilligungen/Berechtigungen beim erstmaligen Registrieren zweifelhaft sei. Es gebe sinnvolle Bildungsangebote, wie „Kindermedienland“, die stärker genutzt werden müssten.

 

Sierk Hamann zeigte als Vertreter des Chaos Computer Clubs auf, dass Berufsgeheimnisträger, wie z. B. Anwälte, bei der Nutzung von Terminkalendern oder Ortungssystemen in Smartphones Risiken eingingen. Es gebe Fälle, in denen baden-württembergische Ermittler nicht feststellen könnten, von wo aus eine Internetfirma agiere.

 

Der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen, Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, räumte ein, dass die deutschen Datenschutzbehörden ausländische Unternehmen kaum in den Griff kriegen würden. Dort herrsche schlichtweg eine andere Mentalität hinsichtlich Datenschutzbelangen. Verhandlungen mit den USA über höhere Datenschutzstandards seien erfolglos und auch effektive europäische Regelungen blieben aus, solange sich einzelne Mitgliedsstaaten, wie z. B. Großbritannien, eher wie die USA verhalten. Er sehe im Datenschutz aber kein Wirtschaftshemmnis. Seiner Meinung nach müsste der kommerzielle Wert der Daten sogar höher sein. Helfen könne nur ein System mit deutschen Betreibern und Dienstleistungsangeboten.

 

Die Referenten waren sich aber darüber einig, dass dies heutzutage nicht mehr zu bewerkstelligen sei. Die Internettechnik hänge zu sehr von US-Firmen ab, etwa beim Glasfasernetz oder eingesetzten Routern. Man könne lediglich bei der Medienkompetenz der Nutzer und durch passende Gesetze Verbesserungen erreichen. In Frage komme, die Verletzung von Datenschutzvorschriften durch ein Unternehmen nach § 4 UWG als unlautere Handlung zu bewerten, um rechtmäßig agierenden Konkurrenten eine effektive Handhabe zu geben.

 

Herr Hamann empfahl, wenigstens PC-Festplatten zu verschlüsseln und von der Nutzung von SMS-Ersatz-Diensten wie WhatsApp abzusehen. Besser seien Listen-Mailings, mit denen man nur Einzelnen schreibe. Auch das Versenden von SMS über die schweizer App Treema sei sicherer, da hier eine End-zu-End-Verschlüsselung erfolge. Darauf zu setzen, dass die USA in den riesigen Datenmengen die für sie interessanten Informationen nicht finden würde, sei unsicher.

 

Zum häufig geforderten „Recht auf Vergessenwerden“, über das am 13.05.2014 vom Europäischen Gerichtshof entschieden werde, sagte Prof. Dr. Ronellenfitsch, dass er dieses zur Ermöglichung erfolgreicher Resozialisierungsmaßnahmen befürworte, in manchen schwerwiegenden Fällen aber die Pressefreiheit überwiegen könne.

 

Die Zuhörer aus der Landespolitik, von Verbänden und Unternehmen beteiligten sich rege an der anschließenden Diskussion mit den Referenten und konnten auch danach beim gemeinsamen Essen gut miteinander ins Gespräch kommen.

 

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