Willkommen beim Parlamentarischen Abend

16. Parlamentarischer Abend 2025

Zum 16. Parlamentarischen Abend des Anwaltsverbandes Baden-Württemberg erschienen wieder zahlreiche Landtagsabgeordnete, die Justizministerin Marion Gentges MdL, Kammerpräsidenten, Vorstandsmitglieder, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Spitzenvertreter der Landesjustiz und von justiznahen Berufsorganisationen, wie den Rechtspflegern, Dolmetschern, Strafvollzugsbediensteten oder Gerichtsvollziehern. Der Anwaltsverband konnte sich über mehr als 90 Teilnehmer freuen und das bei einer Konkurrenz von 6 weiteren Parlamentarischen Abenden in dieser Oktoberwoche, die auch von anderen Organisationen ausgerichtet wurden.

Verbandspräsident RA Prof. Dr. Peter Kothe wies bei seiner Begrüßungsrede auf die hohe Bedeutung der Konvention zum Schutz der Anwaltschaft des Europarats vom 12.03.2025 hin. Diese müsse von Deutschland schnell ratifiziert werden. Mit der Konvention (englisch „Council of Europe Convention for the Protection of the Profession of Lawyer“) soll sichergestellt werden, dass die einzelnen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihren Beruf frei und ungehindert ausüben und damit die anwaltliche Kernfunktion, Zugang zum Recht zu gewähren, wahrnehmen können. Im Ausland, z. B. den USA oder der Türkei, könne man beobachten, dass Anwälte allein nur deswegen gemaßregelt werden, weil sie den Gegner vertreten. Auch in Deutschland werden Anwälte, die z. B. Migranten vertreten, stark angegriffen. Ironischerweise wollen solche Täter dann aber selbst rechtlichen Beistand.

Zudem forderte Kothe mehr Augenmaß bei der Durchsuchung von Anwaltskanzleien. So kommen ihm jährlich Fälle zu Ohren, in denen ein Amtsgericht beim Erlaß eines Durchsuchungsbefehls zu wenig auf die Verhältnismäßigkeitsanforderungen geachtet hat. Die Anforderungen seien hier – ebenso wie bei Steuerkanzleien – höher als die bei „normalen“ Durchsuchungen. Grund sei der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Dieser diene nicht nur der Vertrauensbeziehung zwischen Rechtsbeistand und Mandanten, sondern auch dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Zudem berge die Durchsuchung von Kanzleiräumen regelmäßig die Gefahr, dass Daten von Nichtbeschuldigten betroffen seien (vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 21.07.2025, Az. 1 BvR 398/24).

Mit Blick auf die Erprobung des online-Zivilverfahrens für kleinere Geldforderungen, die einen verbesserten Zugang zum Recht verspreche, kritisierte Kothe die stiefmütterliche Behandlung der bewährten anwaltlichen Beratungsstellen bei den Amtsgerichten für Bedürftige durch das Justizministerium BW. Das Ministerium sehe tatenlos zu, wie diese zurückgingen und unterstütze die örtlichen Anwaltvereine hier zu wenig.
Die bisherige Gestaltung des online-Zivilverfahrens gebe Anwälten zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten. So könnten Anwälte die Befindlichkeiten ihrer Mandanten oft besser einschätzen und wüssten, ob nicht beispielsweise eine persönliche Besprechung zweckdienlicher zur Befriedung eines Rechtsstreits wäre.

Soweit strukturierter Parteivortrag gefordert werde, müsse es unbedingt auch ausreichende Freitextmöglichkeiten für die Parteien geben, da die Strukturierung sonst den Lebenssachverhalt verfälschen könne.

Schließlich forderte Kothe die Abgeordneten auf, dem Vorschlag Bayerns für die Justizministerkonferenz am 7.11.2025 entgegenzutreten, dass durch eine Änderung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) Rechtsschutzversicherungen zukünftig auch außergerichtliche Beratung und Vertretung gegenüber ihren Versicherungsnehmern erbringen könnten. Die massiven Interessenkonflikte seien hier vorprogrammiert. Anders als durch die Rechtsanwaltskammern oder die Berufshaftpflichtversicherungen der Anwälte würden die Versicherten nur durch – meistens durchsetzungsschwache – Compliance-Regeln geschützt.

Die Ministerin der Justiz und für Migration, Marion Gentges MdL, sagte, dass die Anwaltschaft als unabhängiges Organ der Rechtspflege unverzichtbar sei. Sie erinnerte an den im Juli 2025 geschlossenen „Pakt für den Rechtsstaat“, laut dem der Bund rund 500 Mio. Euro in die Justiz, insbesondere für neue Stellen (2.000) und für Digitalisierung, investieren wolle. Für Baden-Württemberg würde dies 261 zusätzliche Personalstellen bedeuten.

Neben der anstehenden ZPO-Reform gebe es nun auch eine Kommission zur Reform der StPO. Hier stehe der Instanzenzug für OWi-Verfahren zur Debatte. Es könne nicht sein, dass bei einem Tötungsdelikt 2 Instanzen zur Verfügung stehen und bei Ordnungswidrigkeiten aber 3.
Der Zuständigkeitsstreitwert bei Amtsgerichten soll auf 10.000 Euro angehoben werden. Es gehe um eine Stärkung der Amtsgerichte. Diese seien auch wichtig für Anwälte in der Fläche.
Sie spreche sich klar gegen eine Ausweitung der Beratungsbefugnisse für Rechtsschutzversicherungen aus.
Die eAkte sei nun überall in Baden-Württemberg im Einsatz. Das ermögliche den KI-Einsatz, wobei größtmögliche Transparenz gewahrt werden solle.
Gentges kündigte die Entwicklung sog. virtual Courts an. Damit könne man z. B. virtuelle Ortsbegehungen von Tatorten oder in Bau- und Planungssachen durchführen.

RA Thomas Hentschel MdL, justizpolitischer Sprecher der GRÜNEN-Landtagsfraktion, betonte den erforderlichen Schutz der Anwaltschaft. Er bedankte sich für die Stellungnahme des Anwaltsverbandes zur automatisierten Datenanalyse im Polizeirecht von August 2025.

Zur Stärkung der Anwaltschaft gehöre die finanzielle Auskömmlichkeit der Vergütung. Die in Kindschaftssachen vorgesehenen lediglich pauschalen Beträge seien da höchst bedenklich.
Die Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts bei den Amtsgerichten von 5.000 auf 10.000 Euro diene dem Inflationsausgleich. Es frage sich, ob dadurch die Landgerichte entlastet würden.
Der Einsatz von KI könne zu einer technischen Revolution führen. Der strukturierte Parteivortrag müsse verhindert werden.

RA Arnulf Freiherr von Eyb MdL, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sagte, er gehöre auch dem Fraktions-Arbeitskreis X „Ländlicher Raum“ an. Deswegen sei ihm das Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Anwälten im ländlichen Raum wichtig. Dazu gehöre die auskömmliche Vergütung. Im ländlichen Raum gebe es auch keine anwaltlichen Beratungsstellen. Er sei nun 14 Jahre Landtagsabgeordneter gewesen und werde aus Überzeugung Mitglied im Deutschen Anwaltverein bleiben.

Für die SPD-Landtagsfraktion sprach deren rechtspolitischer Sprecher, RA Dr. Boris Weirauch MdL. Er sagte mit Blick auf die aktuellen Entscheidungen des VGH BW zu den „Corona-Sofort-Hilfen“, dass an diesen Erfolgen für die Betroffenen auch Rechtsanwälte beteiligt waren. Auch er bedankte sich für die Stellungnahme des Anwaltsverbandes zum Einsatz der Gotham-Software von Palantir Technologies von August 2025. Statt Beratungsfelder den Rechtsschutzversicherungen zu überlassen, müssten die Anwälte gestärkt werden. Mit Blick auf die Verfassungsrichterwahl meinte er, dass keine parteipolitische Einflußnahme erfolgen solle. Deswegen sei die Präsidialratsverfassung in Baden-Württemberg (LRiStAG) gut.

RA Nico Weinmann MdL, rechtspolitischer Sprecher von der FDP-Landtagsfraktion, erinnerte an die Uraufführung des us-amerikanischen Spielfilms „The Great Dictator“ mit Charlie Chaplin vor 85 Jahren am 15.10.1940. Der Film richtete sich u. a. symbolisch gegen den Militarismus allgemein. Berühmt sei die leidenschaftliche Rede gegen Ende des Films – ein eindringlicher Appell an die ganze Welt für Demokratie, Frieden und Menschlichkeit einzustehen.

Für die Bürger gestalte es sich schwierig, bei einem nicht reizvollen Mandat einen Anwalt zu finden. Die Anwaltschaft müsse deswegen durch eine angemessene Vergütung gestärkt werden. Aber auch in der Justiz bestehe Verbesserungsbedarf. Wenn man eine vollstreckbare Ausfertigung beantrage oder einen Kostenfestsetzungsantrag stelle, müsse das schneller gehen. D. h. es gehe auch um die Stärkung des Mittelbaus an den Gerichten. Das müsse im Finanz-Haushalt berücksichtigt werden.

Für die AFD-Landtagsfraktion sprach der rechtspolitische Sprecher Rüdiger Klos MdL. In seinem Statement ging es um den Einsatz von KI. Das sei eine Herausforderung und ein Sondierungsprozeß. Auch die Abläufe in Anwaltskanzleien müssten überdacht werden. Eine Studie von 2023 habe ergeben, dass Routineaufgaben, wie Vertragsprüfungen, damit bewältigt werden könnten. Allerdings bestehe das Risiko, dass die KI-Systeme „halluzinieren“. Hier warne er vor einer unkritischen Übernahme der Ergebnisse. Wichtig sei hier die Qualitätssicherung. Es gehe um die kanzleiinterne Wissensvermittlung und die berechtigten Interessen der Mandanten. Hierbei wünsche er den Rechtsanwälten viel Erfolg.

Im Anschluß an die rechtspolitischen Statements lud der Verbandspräsident die Anwesenden zum geselligen Imbiß ein.

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