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automatisierte Datenanalyse bei der Polizei
Am 29.7.2025 beschloss der Ministerrat den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer automatisierten Datenanalyse und zur Änderung weiterer polizeirechtlicher Vorschriften. Neben der Öffentlichkeitsbeteiligung auf dem Beteiligungsportal BW erfolgte die Verbändeanhörung bis zum 19.8.2025.
Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes BW sollen Rechtsgrundlagen für eine automatisierte Datenanalyse, für die Nutzung der sog. Advanced-Mobile-Location-Technologie (AML-Technologie) zur Bestimmung des Standorts hilfesuchender Personen nach Anwahl der polizeilichen Notrufnummer sowie zur Entwicklung, zum Training, zum Testen, zur Validierung und zur Beobachtung, Überprüfung, Änderung und zum Trainieren von informationstechnischen Produkten geschaffen werden.
Mit der Umsetzung der durch die Änderung des Polizeigesetzes geschaffenen Rechtsgrundlagen für die automatisierte Datenanalyse und zur Verarbeitung von Standortdaten bei Anwahl der Notrufnummer sollen Mehrausgaben für den Landeshaushalt in Höhe von jährlich insgesamt rd. 10 Mio. EUR verbunden sein.
Aus den Medien war zu entnehmen, dass es aktuell bei der Daten-Analyse-Software ausschließlich um den Einsatz der Software „Gotham“ des US-amerikanischen Unternehmens Palantir Technologies gehen soll, für deren Beschaffung bereits im März 2025 ein Fünf-Jahres-Vertrag vom zuständigen Polizeipräsidium Technik abgeschlossen wurde. Hintergrund der Beschaffung dieser Software - vor Schaffung der gesetzlichen Grundlage für deren Nutzung - ist ein vom Freistaat Bayern im Jahr 2022 für alle Bundesländer geschlossener Rahmen-vertrag und das Auslaufen der sich aus diesem ergebenden Preisbindung.
Der Anwaltsverband BW hat dazu am 19.8.2025 eine kritische Stellungnahme abgegeben. Bereits das Vorgehen wecke Bedenken, weil der Gesetzgeber hierdurch faktisch in Zugzwang gesetzt wird, weil anderenfalls erhebliche Finanzmittel in nicht nutzbringender Weise investiert würden. Die behauptete Alternativlosigkeit des Programms, mit der die Beschaffung (nachträglich) gerechtfertigt wird, bestehe ersichtlich nicht. Andere Software-Programme von anderen Anbietern seien verfassungskonform, transparent und in Europa gefertigt, was dem erforderlichen Datenschutz zuträglicher sein dürfte.
Im Großen und Ganzen betrachtet der Anwaltsverband BW den Gesetzentwurf in seiner Stellungnahme vom 1.7.2025 als weitgehend gelungen. Allerdings irritiert, dass das Land Baden-Württemberg bislang glaubte, mit einem Landesverfassungsschutzgesetz auszukommen, das in weiten Teilen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Die im Rahmen der Zielsetzung zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind zum überwiegenden Teil bereits drei Jahre alt.
Abzulehnen ist im Gesetzentwurf die Regelung, der zufolge eine Auskunft über gespeicherte Daten der betroffenen Person nach § 25 LVSG BW – neu wegen eines drohenden „unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands“ abgelehnt werden können soll. Insoweit verweist der Anwaltsverband auf die kürzlich ergangene Entscheidung BFH, Urteil vom 14.1.2025, Az. IX R 25/22. Dort hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Verantwortliche einem Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht mit der Begründung entgegentreten kann, dass die Bereitstellung der Auskunft mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden sei. In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte ein Steuerpflichtiger gegen das Finanzamt geklagt, weil ihm dieses mit Verweis auf den erheblichen Verwaltungsaufwand die Auskunft verweigert hatte.
In der Gesetzesbegründung zu § 7 LVSG bW - neu wird der Eindruck vermittelt, als unterläge dem Schutz der privaten Lebensgestaltung nur die Kommunikation mit Strafverteidigern. Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte an dieser Stelle klar benannt werden, dass es jegliche Kommunikation mit Rechtsanwälten gemeint ist und nicht nur mit Denjenigen, denen ein strafrechtliches Mandat erteilt wurde. Beispielsweise könnten auch viele zivil- oder öffentlich-rechtliche Themen für den Verfassungsschutz interessant sein, wie Eigentumsverhältnisse, Finanz- und Gesundheitsfragen oder die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Dazu kann der Betroffene auch andere als Strafverteidiger befragen, und auch all diese Kommunikation muss dem Berufsgeheimnisschutz unterliegen.
Der Anwaltsverband hat Zweifel, ob die geplante Funkzellen-Abfrage dem Landesamt für Verfassungsschutz wirklich ein erhebliches Mehr an Erkenntnissen bringen würde, die den starken Eingriff in die Grundrechte zahlreicher Unbeteiligter rechtfertigen könnte.
Ähnliche Zweifel hat der Anwaltsverband auch im Hinblick auf die in die Zukunft gedachte Entwicklung von sog. „Connected Cars“, um angeblich sehr mobile Akteure der islamistischen Szene zu identifizieren.
Im Hinblick auf den Einsatz von sog. „stillen SMS“ ist die Gefahr eines intensiven Grundrechtseingriffs anerkannt, weil die Erstellung eines Bewegungsprofils möglich wird (BVerfGE v. 26.4.2022 zum Bay VerfSchG).
Gerade im Hinblick auf die Akzeptanz des Landesamts für Verfassungsschutz empfiehlt sich Transparenz bei dessen Befugnissen.
Der Anwaltsverband äußert sich zu Gesetzgebungsvorhaben, die die Rechtsanwaltschaft betreffen, z. B. hinsichtlich der Möglichkeiten zur Einlegung von Rechtsmitteln, und gibt seine Stellungnahme sowohl im Rahmen von Verbändeanhörungen in den zuständigen Ministerien als auch bei Anhörungen im Landtag ab. Zu diesem Zweck stimmt er sich mit den Vorständen der 25 Mitgliedsvereine ab, um möglichst mit einer Stimme zu sprechen und die Vielfalt der im Flächenland Baden-Württemberg tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu berücksichtigen.
Auf Anfrage der FDP-Landtagsfraktion konnte der Anwaltsverband Baden-Württemberg, vertreten durch RA Dr. Holger-C. Rohne aus Heidelberg, am 7. Mai 2025 seine Einschätzung zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion eines "Gesetzes zum besseren Schutz vor Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Gefahren aufgrund häuslicher Gewalt" (Lt-Drs. 17/8387) abgeben. Er begrüßte das Gesetzesvorhaben sehr, weil es den Opfern mehr Sicherheit und Selbstbestimmung bringe. Er forderte aber die Einhaltung verfassungsrechtlicher Vorgaben, etwa zum Vorliegen einer konkreten erheblichen Gefahr für gewichtige Rechtsgüter, bevor eine elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ, umgangssprachlich Fußfessel) angelegt wird. Befristungen (3 bzw. 6 Monate), Richtervorbehalte und eine Evaluierung der Maßnahmen seien zwingend geboten. In der Anhörung wurde offenkundig, dass es derzeit noch an ausreichenden technischen und personellen Möglichkeiten der Prävention fehle, wie die bisherigen Erfahrungen des LKA BW und Justizministeriums Hessen eindrücklich belegten. Die Expertenanhörung wurde von der Stuttgarter Zeitung am 8.5.2025 aufgegriffen und ist auch in der Mediathek des Landtags BW nachzuverfolgen.
Mit der Änderung der Regelungen zur Bauvorlagenberechtigung erfolgt eine Angleichung der LBO an die Vorgaben der Berufsanerkennungsrichtlinie (EG 2005/36). Ergänzend werden redaktionelle Änderungen des Bauprodukte-Marktüberwachungsdurchführungsgesetzes (BauPMÜDG) sowie des Gesetzes zu dem Abkommen über das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBtAbkG) vorgenommen.
Der Anwaltsverband Baden-Württemberg hat dazu am 18.09.2024 eine kritische Stellungnahme bei der Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Razavi MdL abgegeben. Er sprach sich insbesondere gegen die Verkürzung von Rechtsschutzmöglichkeiten aus. Er bezweifelte, dass eine Verbesserung und Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren allein dadurch eintreten soll, dass man den Rechtsschutz durch die Beschränkung von Widerspruchsmöglichkeiten (in Art. 3 des Gesetzentwurfs) und nachbarlicher Einwendungsfristen (§ 55 LBO) verkürzt, wenn die eigentlichen Probleme der langen Verfahrensdauern doch eher beim allseits konstatierten
Fachkräftemangel in den Behörden und bei den bauausführenden Unternehmen liegen.
Mit guten Gründen sei die Einwendungsfrist mit der LBO-Novelle vom 05.03.2010 von zwei auf vier Wochen verlängert. Erfahrungsgemäß muss sich der Laie erst einmal informieren, was das nachbarliche Bau vorhaben für ihn bedeutet, ob und – bejahendenfalls - welche berechtigten Ansprüche er hat. In der Regel kann er dies nicht selbst beurteilen, sondern braucht dazu fachlichen Rat. Diesen einzuholen benötigt Zeit, zumal der Laie nicht bereits am Tag der Zustellung einer Nachbaranhörung die Gemeinde und/oder die Behörde zwecks Akteneinsicht aufsuchen kann. Dies gilt umso mehr als dass - nach der erst vor kurzem in Kraft getretenen Neufassung des § 55 LBO vom
20.11.2023 - nicht mehr alle Angrenzer automatisch benachrichtigt werden.
Der beabsichtigte generelle Ausschluss jeglicher Widerspruchsverfahren führt dazu, dass auch die Bauherren selbst, die sich gegen Nebenbestimmung zur Baugenehmigung wehren wollen, gezwungen werden, ein zeit- und kostenintensives Klageverfahren anzustrengen. Von Bürgerfreundlichkeit könne also keine Rede sein.
Im Gesetzentwurf völlig verkannt werde auch § 29 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Danach hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Beteiligte sind gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 4 LVwVfG der Antragsteller (Bauherr) und diejenigen, die nach § 13 Abs. 2 LVwVfG von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden sind. Hierbei handelt es sich um die von Amts wegen oder auf Antrag Hinzugezogenen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, mithin die Angrenzer i. S. des § 55 LBO. Das bis November 2023 praktizierte Beteiligungsverfahren eröffnete allen Angrenzern die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Bauvorlagen. Der jetzige Entwurf beschränkt den Kreis derjenigen, die vom Bauvorhaben Kenntnis nehmen können, auf die nach Ansicht Baurechtsbehörde wegen möglicher Beeinträchtigungen zu benachrichtigenden Eigentümer angrenzender Grundstücke. Sonstige Angrenzer oder gar weitere Nachbarn, die objektiv betrachtet durch das Bauvorhaben oder seine Nutzung auch beeinträchtigt werden können, erhalten keine Akteneinsicht. Gemäß § 29 LVwVfG besteht ein Akteneinsichtsrecht jedoch nur in laufenden Verwaltungsverfahren. Somit eröffnete nur das Widerspruchsverfahren dem zuvor umschriebenen Personenkreis einen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme in die Bauvorlagen; dies soll nun entfallen. Wenn also die Baurechtsbehörden nicht freiwillig Einsichtnahme in die Bauvorlagen gewähren –
was die Zustimmung des Bauherrn voraussetzt -, werden alle Angrenzer und Nachbarn, die nicht im Rahmen des § 55 LBO benachrichtigt wurden, gezwungen Klage zum zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben, um dort Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO zu erhalten.
Wenn die das Widerspruchsverfahren tragenden Gründe – nämlich Rechtsschutz für den Bürger, Selbstkontrolle der Verwaltung und Entlastung der Verwaltungsgerichte – und mit ihnen die Überprüfung der Zweckmäßigkeit und der Rechtmäßigkeit ernst genommen und „gelebt“ werden, zeigt sich, dass dieses Verfahren auch heute noch sinnvoll ist. Dies gilt umso mehr, als nach wie vor Bestrebungen im Gang sind, eine außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern, und die Widerspruchsbehörde genau dies zu leisten vermag, sofern sie sich nicht als bloße „Durchlaufstation“ versteht. Verwaltungsgerichtliche Vorverfahren bieten weiten Kreisen der Bevölkerung kostengünstigen Rechtsschutz, bei dessen sachgerechter Handhabung dem Bürger eine Entscheidung in der Sache zuteilwird. An dieser Basis des Rechtsschutzsystems sollte auch im Hinblick auf die Akzeptanz des Rechtsstaats nicht gespart werden.
Mit dem vermeintlichen Bürokratieabbau ist für den Bürger stets ein Verlust an kostengünstigem Rechtsschutz verbunden. Die Realisierung von Bauvorhaben wird – wenn das Widerspruchsverfahren gut gemacht wird – gerade nicht erheblich verzögert. Erforderlich ist schlicht eine gute Ausbildung der über einen Widerspruch entscheidenden Personen. Die gleichen Argumente gelten auch für das Widerspruchsverfahren im Denkmalschutz.
Das Staatsministerium BW gab dem Anwaltsverband BW im Rahmen der Verbändeanhörung Gelegenheit zur Äußerung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof gemäß Nr. 5.3.2 der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (VwV Regelungen).
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg wurde bisher als eigenständiges Verfassungsorgan von den bestehenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften über die elektronische Aktenführung in der Justiz und den elektronischen Rechtsverkehr nicht erfasst. Dementsprechend arbeitete er bislang ausschließlich mit Papierakten und ohne die Möglichkeit einer elektronischen Dokumentenübermittlung; Rechtssuchende können sich derzeit ausschließlich auf dem Postweg oder per Fax an den Verfassungsgerichtshof wenden. Das erscheint nicht mehr zeitgemäß.
Deshalb sollen mit dem Gesetzentwurf die rechtlichen Grundlagen für eine elektronische Aktenführung sowie die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs beim Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg geschaffen werden. Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zum elektronischen Rechtsverkehr und zur elektronischen Aktenführung sollen in ihrer jeweils geltenden Fassung auf Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof für entsprechend anwendbar erklärt werden.
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